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Warum schlecht verhandeln, wenn es besser geht?

Fachartikel aus 'Die Mediation'

Wenn wir bei der Aushandlung von Verträgen nicht umsichtig agieren und bedeutende Konditionen übersehen, die unserem Unternehmen zum Nachteil gereichen, kann dies teuer werden: für das Unternehmen und für uns Verantwortliche gleichermaßen. Derart offensichtliche Fehler mit weitreichenden Folgen treten natürlich schnell zutage. Nicht so augenfällige Patzer aber gehen im Allgemeinen unter. Das Tragische ist, dass über die sich dahinter verbergenden Werte nie Klarheit erlangt wird. Ein vermeintlich guter Deal entpuppt sich nicht als das, was er ist: mittelmäßig.

Entscheider haben keine Angst! Oder doch?

Wenn Optionen im Rahmen von Verhandlungen nicht wahrgenommen werden, liegt dies hauptsächlich an einem zentralen Grund: Angst.

Angst ist für Entscheider ein Tabuthema. Sie passt nicht zur Führungsposition. Diese verlangt Zuversicht, Souveränität und Selbstbewusstsein. Führer geben Orientierung, Zuspruch und Sicherheit. Vermitteln sie Zweifel oder gar Angst, berauben sich Manager ihrer Führungslegitimation. Jeder normale Mensch hat aber zuweilen Ängste und Zweifel. Führungspersonen müssen die Kunst beherrschen, diese Gefühle bei sich und anderen in Bahnen zu lenken, die Energie freisetzen.

Am Ende einer Verhandlung hat man sich gefunden. Jede Partei war bemüht, so viel Masse wie möglich für sich zu gewinnen und so wenige Risiken wie möglich zu akzeptieren. Wie gut dies den einzelnen Parteien gelungen ist, wie viel Luft es nach oben noch gegeben hätte, bleibt aber offen. Denn man sollte es tunlichst unterlassen, der Gegenseite zu unterbreiten, wie weit man noch zu gehen bereit gewesen wäre und wie unvorteilhaft der Deal daher für sie ausgefallen ist. Da man aber die Karten so gut wie nie offen auf den Tisch legt, werden unzureichende Übereinkünfte nicht als solche aufgedeckt, und potenziell wertschöpfende Optionen für beide Verhandlungsparteien bleiben verborgen.

Verlustaversionen verleiten uns dazu, Entscheidungen vorschnell zu treffen. Die Furcht, der Deal könne scheitern, wenn man noch mehr fordert, schwingt bei jeder Verhandlung mit. Häufig befürchten Manager auch, dass das Asset von einem Konkurrenten weggeschnappt werden oder die Gegenseite den Deal zurückziehen könnte. Sogar persönliche Ängste bezüglich eventueller Konsequenzen für die eigene Karriere sind starke Motivatoren, eine Übereinkunft zu erzielen. Folglich wird hastig auf einen Abschluss des Deals gedrängt. Der tatsächliche Verhandlungsspielraum wird dann sehr selten voll ausgeschöpft.

Die Machfrage in Verhandlungen

In fast allen Verhandlungen, die ich begleitet habe, wurde deutlich, dass die Verantwortlichen fürchteten, die Gegenseite verfüge über mehr Macht als sie selbst. Das Amüsante ist, dass so gut wie immer beide Parteien der Meinung sind, die Gegenseite habe die besseren Karten und könne folglich bestimmen.

Das Ergebnis ist stets dasselbe: Die Partei mit der vermeintlich höheren Machtposition beharrt auf ihren Konditionen und der Deal wird einseitiger, als er sein müsste. Mit völliger Ignoranz klopfen sich Manager dann auf die Schulter und erfreuen sich am gelungenen Ergebnis – und das obwohl Millionen versenkt und weit höhere Risiken als nötig akzeptiert wurden.

Um maximale Verhandlungsresultate zu erzielen, benötigen Verhandler gute Kenntnisse über Dialektik, Verhandlungstechniken sowie deren psychologische Wirkungen und Effekte. Um zum Experten zu avancieren, bedarf es zudem jahrelanger Übung und, ganz wichtig, des Feedbacks zu ihrem Verhalten während der Verhandlungen und in Bezug auf die erreichten Ergebnisse.
Wie Sie zu einem besseren Verhandler werden

Aber auch ohne diese Kenntnisse können Sie Ihre Ergebnisse verbessern, indem Sie folgende Punkte bei Ihrer nächsten Verhandlung umsetzen:

  1. Vorbereitung ist die halbe Miete. Erstellen Sie einen Rahmen für alle Verhandlungsthemen mit Zielen, Grenzen, Positionen und Interessen. Gut vorbereitet, sinken Ihre Befürchtungen, unterliegen zu können. Zudem verlangt die Zeitinvestition geradezu danach, gute Ergebnisse zu erzielen. Sie werden automatisch erfolgreicher sein.
  2. Bleiben Sie locker, auch in brenzligen Situationen. Verhandeln Sie nicht, wenn Sie starken Stress empfinden oder schlechte Laune haben. Vertagen Sie die Verhandlung dann lieber oder lassen Sie sie von jemand anderem übernehmen. In Stresssituationen vergessen wir alle guten Vorsätze und fallen in unser Leitmotivdenken zurück. Dann überhören wir wichtige Stichpunkte, die zu neuem Erkenntnisgewinn beitragen könnten. Generell sind wir alle meist viel zu verkrampft beim Verhandeln und zu sehr auf unser Ziel – zu gewinnen – fokussiert.
  3. Analysieren Sie Ihr Gegenüber, um hinter dessen Positionen zu sehen. Hören Sie gut zu und halten Sie Zitate fest. Fokussieren Sie sich nicht nur primär auf das Gewinnen, das Ausboten oder Durchsetzen Ihrer Ansprüche (diese Taktiken sind aus Angstimpulsen geboren – man möchte das durchsetzen, was man selbst zu erleiden fürchtet), sondern versuchen Sie, zu verstehen, warum welche Punkte für den Verhandlungspartner wichtig sind.
  4. Sorgen Sie für gute Stimmung. Unsere Entscheidungen sind eng mit Gefühlen verbunden. Ein aggressiver Verhandler wird kooperativer, wenn er das Gefühl bekommt, freundlich und zuvorkommend behandelt zu werden und keiner Gefahr ausgesetzt zu sein. Verhandlungen sind oft Schauplätze von Statuskämpfen mit negativen Emotionen. Statt wie unsere prähistorischen Vorfahren um Zugang zu Nahrung und Sex zu kämpfen, ringen wir heute um Kaufpreis und gemindertes Risiko.
  5. Nutzen Sie Macht und Status in der Verhandlung bewusst. Macht hat ihren Platz, insbesondere auch in Verhandlungen. Wir müssen sie jedoch gezielt einsetzen und dosiert verwenden. „It takes two to tango.“ Tanzt Ihr Verhandlungspartner nicht mit, müssen Sie ihn dazu verführen. Lesen Sie Ihr Gegenüber und seine Reaktionen auf Ihre Statustaktiken. Das Ziel ist es, die Ängste des Partners abzubauen und gleichzeitig die Verhandlung zu dominieren.
  6. Lassen Sie Neugierde zu. Zeigen Sie bzw. entwickeln Sie echtes Interesse am Gegenüber und seinen Bedürfnissen. Sie dürfen und müssen, um hinter die Interessen von Positionen zu blicken, oftmals von den Verhandlungspunkten abschweifen und andere Themen aufgreifen. Das ist kein Problem, solange man regelmäßig zurück zum Fokus des Meetings kommt.
  7. Schicken Sie jemand anderen zum Verhandeln vor. Als Entscheider müssen Sie zwar die Verantwortung tragen, nicht aber den Deal verhandeln. Das hat zwei Vorteile: Zum einen ist nichts von dem Verhandelten in Stein gemeißelt. Sie können den Verhandler jederzeit austauschen und behalten eine Eskalationsstufe. Zum zweiten können Sie in Ruhe Entscheidungen treffen und sind nicht der Hitze des Moments ausgesetzt. Sie vermeiden eventuelle kognitive Verzerrungen und behalten dennoch das Steuer in der Hand.

Fazit

Mittelmäßige oder gar schlechte Deals, mit denen wir nur einen Teil unserer ursprünglichen Positionen umsetzen und unserem Verhandlungspartner unnötig weit entgegenkommen, müssen nicht sein. Klug und mit strategischem Weitblick zu verhandeln ist erlernbar – fangen Sie heute damit an!

Autor: Stephan Jansen

Dieser Artikel ist im Fachmagazin "Die Mediation", Ausgabe A1/2020 erschienen.

 

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