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Im Dauerstress sich treu bleiben
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Veröffentlich wurde der Beitrag in der Ausgabe 1/2025 des Fachmagazins für Mediation, Supervision und Coaching Die Mediation.
Führungskräfte stehen regelmäßig vor zahlreichen Anforderungen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten gilt das ganz besonders. Rahmenbedingungen, die sich ständig ändern, und ein unsicheres Marktumfeld tun ihr Übriges. Dauerstress ist die Folge und das Gefühl, den eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden zu können. Letztlich geht die Freude an der Arbeit verloren. Dem gilt es rechtzeitig entgegenzuwirken.
Von Nikola Doll
Haben sie öfters das Gefühl, nur noch auf die Anforderungen von außen zu reagieren und damit zunehmend den roten Faden in Ihrer Arbeit und Ihrem Leben zu verlieren? Damit sind Sie nicht allein. Immer mehr Führungskrähe klagen über Dauerstress. Eine Folge davon: Ihre Arbeitszufriedenheit und -motivation sinken. Das spüren auch ihre Mitarbeiter.
Entsprechend wichtig ist es, wenn dieses ungute Gefühl sich einstellt, in einer ruhigen Stunde – allein oder noch besser mit einem Coach – zu reflektieren, „Wer sind denn meine Auftraggeber?“, und dies auf einem Blatt Papier zu notieren (siehe beispielhaft Abb. 1). Ich verspreche Ihnen, es sind überraschend viele – zumindest wenn Sie bei dieser Reflexion nicht verges- sen, dass auch Sie selbst und Ihr privates Umfeld Ansprüche an Sie stellen.
Auf dem Schreibtisch türmen sich die Aufgaben
Reflektieren Sie danach im zweiten Schritt, welche Aufgaben fast täglich auf Ihrem Schreibtisch landen. Diese sind meist sehr vielfältig. Mitarbeiter erwarten eine Entscheidung. Externe Partner und Dienstleister wollen wissen, wie es weitergeht. Das Top-Management der Firma oder deren Eigner wünscht einen Investitionsplan. Führungskrähe bitten Sie, einen Konflikt zu klären. Schlüsselkunden fordern „bessere“ Konditionen. Die benachbarte Schule fragt nach Praktikumsplätzen für ihre Schüler. Und, und, und …
Rufen Sie sich danach noch einmal in Erinnerung, welche Ziele und Werte Ihnen bei Ihrem Start als Führungskraft wichtig waren und heute noch sind, und bringen Sie diese zu Papier (siehe beispielhaft Infobox 1).
Dem „Teufelskreislauf“ entfliehen
Notieren Sie danach auf einem Formblatt neben Ihren Auftraggebern, was diese von Ihnen fordern bzw. wünschen (siehe Tab. 1). Analysieren Sie anschließend, wie Sie eigentlich gern mit all diesen Anforderungen umgehen würden. Eine häufige Antwort von Führungskrähen lautet: „Ich analysiere zunächst, wer ist der Auftragsgeber, und wie wichtig ist die Beziehung zu ihm für mich? Dann reflektiere ich: Was tut er für mich, und was muss/sollte ich für ihn tun?“ Das heißt, die meisten Führungskrähe haben zumindest in der Theorie durchaus einen Maßstab für ihr Handeln. Doch dieser gerät im Alltag oh beim Beantworten der Frage „Was bin ich bereit zu tun?“ in Vergessenheit.
Das permanente „Müssen“ hinterfragen
Eine zentrale Ursache hierfür ist: Viele Führungskrähe haben unbewusst das Credo verinnerlicht, „Aber wenn die Geldgeber …, dann muss ich doch …“, „Wenn die Kollegen…, dann muss ich doch…“, „Wenn die Kunden..., dann muss ich doch…“ usw. Stets müssen Sie. Nur der eigene Anspruch – und beispielsweise auch derjenige der eigenen Familie – muss immerzu warten. Entsprechend wichtig ist es, das permanente Müssen zu reflektieren – zum Beispiel mithilfe der Fragen in Infobox 2.
Wenn Sie diese Fragen für sich beantworten, werden Sie – zumindest wenn Sie finanziell schon weitgehend abgesichert sind – vermutlich zu der Einsicht gelangen: „Faktisch muss ich (fast) nichts. Es ist stets meine Entscheidung, ob ich...“. Dieses Wissen ermöglicht es Ihnen, die Anforderungen in einem neuen Licht zu sehen. Das heißt auch, Sie können diese neu priorisieren und für sich Regeln formulieren, wie Sie künftig mit unvereinbaren Forderungen umgehen möchten.
Auch auf den „Werteanwalt“ in sich selbst hören
Dabei sollten Sie jedoch keinesfalls den Auftraggeber „eigener Anspruch“ vergessen. Denn auch dieser kann Ihr Verhalten sanktionieren – ähnlich wie Ihre anderen Auftraggeber. Zum Beispiel indem Sie sich danach so richtig mies fühlen, wenn Sie gegenüber einem Mitarbeiter oder externen Partner Ihre ganze Routine und Macht ausgespielt haben und im Umgang mit ihm bis an die Grenze der Fairness gegangen sind.
Entsprechend wichtig ist es, sich des eigenen Anspruchs bewusst zu sein. Stellen Sie sich diesen „inneren Auftraggeber“ – den man auch Ihren „Werteanwalt“ nennen kann – bildhaft vor und analysieren Sie, welche Forderungen dieser an Sie stellt und welchen von ihnen Sie künftig entsprechen möchten.
Danach können Sie sich konkrete Fragen überlegen, mit denen Sie künftig, wenn der Druck steigt, zunächst analysieren, welchen Forderungen Sie wie entsprechen möchten, um zu vermeiden, dass Sie nur noch auf Anforderungen von außen reagieren (siehe beispielhaft Infobox 3). Danach dürfen Sie sich für den (Führungs-)Alltag wieder gewappnet fühlen.
Die Einstellung und das Verhalten nachhaltig ändern
Überlegen Sie jedoch trotzdem, ob Sie sich in den kommenden Monaten beim Umsetzen Ihres Vorhabens im Arbeitsalltag von einem externen Sparringspartner mit neutralem Blick regel- mäßig coachen lassen. Denn die Praxis zeigt: Ansonsten ist die Gefahr groß, dass Sie in Stresssituationen wieder in Ihre alten, über Jahre antrainierten Verhaltensmuster zurück verfallen und die von Ihnen angestrebten Einstellungs- und Verhaltensänderungen nicht nachhaltig sind.
Veröffentlich wurde der Beitrag in der Ausgabe 1/2025 des Fachmagazins für Mediation, Supervision und Coaching Die Mediation.
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