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Führen mit Humor – Dr. Gerhard Schwarz für "Die Mediation"

Gelacht wird in Unternehmen häufig: Meist lachen die Mitarbeiter über die Vorgesetzten („Unser Chef ist ein Wunderkind, der war mit sechs Jahren schon so gescheit wie heute.“) oder miteinander („Seit wann arbeiten Sie hier?“ – „Seit man mir mit Kündigung gedroht hat.“) oder übereinander („Ohne Nörgler wäre das Leben nur halb so schön.“). Die Frage ist nur: Geschieht das Lachen hinter dem Rücken oder lacht man gemeinsam?

Humor wirkt immer

Im Jahr 2000 hat die UNO den Weltlachtag proklamiert. In der Begründung hieß es, dass das Lachen, das bis dahin eher destruktiv wahrgenommen wurde, durchaus konstruktive Funktion hat. Dabei wurden sechs Definitionen des Lachens erstellt:

  • Lachen macht gesund. (Der Beweis: Clowndoctors haben viel Erfolg.)
  • Lachen macht schön und erotisch. (Auf Bildern sehen Lachende fünf bis zehn Jahre jünger aus.)
  • Lachen macht selbstsicher. (Man fühlt sich wohl in seiner Haut.)
  • Lachen macht erfolgreich. (Wer die Lacher auf seiner Seite hat, ist der Sieger.)
  • Lachen verschafft Ansehen und Einfluss.
  • Lachen löst Konflikte.

Speziell dieser letzte Punkt ist für Führungssituationen sehr wichtig. Konflikte zu managen gehört zu den schwierigsten Führungsaufgaben. Da Führung heute nicht mehr als Diktat in einer Hierarchie aufgefasst werden kann, sondern immer mehr zur Interventionsaufgabe in einem Sozialgebilde wird, braucht man dafür auch die nötigen Instrumente. Humor ist davon eines der wichtigsten. Wenn es gelingt, in einem Konflikt beide Seiten zum Lachen zu bringen, hat man schon gewonnen. Allerdings sind die verschiedenen Formen des Humors dafür unterschiedlich geeignet. In bestimmten Situationen kann Lachen auch zu einer Waffe werden. Lachen wirkt immer – allerdings nicht immer in die gewünschte Richtung.

Formen des Humors

Ich bin im Laufe der Zeit darauf gekommen, dass es bei den verschiedenen Formen des Humors eine Reihenfolge der Wirksamkeit gibt. Das Spektrum reicht von relativ harmlosen Formen wie etwa der Ironie über den Sarkasmus bis hin zum Zynismus. Je nach Art und Problematik der Konfliktsituation wählt man die geringere oder stärkere Dosis.

Ironie ist eine Art von Understatement. Ich erinnere mich an eine Situation, als ich einmal als Skilehrer mit einer Gruppe von Schülern vom Skikurs in den Alpen nach Wien zurückfahren wollte. Unser Anschlusszug in Attnang-Puchheim war bereits abgefahren und wir standen um die Mittagszeit auf dem Bahnhof. Ich fragte den Stationsvorsteher, der vorbeiging: „Wann bitte geht der nächste Zug nach Wien?“ Der Mann antwortete: „Um 18:30 Uhr!“ Dies bedeutete für uns noch eine Wartezeit von vier Stunden und ich fragte: „Vorher geht kein Zug?“ Der Stationsvorsteher warf sich in Pose und sagte: „In Attnang-Puchheim geht nie ein Zug vor dem nächsten!“ Das Gelächter meiner Schüler habe ich heute noch im Ohr.

Die sokratische Ironie ist weltberühmt geworden und hat bis heute die Funktion, zur Reflexion zu zwingen.

Stärkere Formen von Humor sind Schadenfreude, Spott und Hohn. Besonders bei Kindern kann man sie beobachten. Meist werden diese Formen des Humors als destruktiv empfunden und heute im Rahmen von Mobbing diskutiert. Im Prinzip ist es rätselhaft, wieso das Unglück anderer oder eine Abnormität uns zum Lachen bringen kann.

Der kleine Franzi kommt weinend zur Mutter: „Was ist los? Warum weinst du?“ – „Weil sich der Papa mit dem Hammer auf den Daumen gehaut hat.“ – „Aber Franzi, da brauchst doch du nicht zu weinen!“ – „Ich hab eh zuerst gelacht.“

Die positive Seite von Schadenfreude, Spott und Hohn besteht in der Relativierung überheblicher, hoheitsvoller Zumutungen. Hier wird dem Arroganten ein Spiegel vorgehalten.

Parodie und Satire sind weitere Formen des Humors und eignen sich meist sehr gut für Sozialinterventionen. Dies ist zum Beispiel in Form des Businesstheaters modern geworden. Mittels geeigneter Rollenspiele kann das Verhalten von Chefs, von Kollegen oder Mitarbeitern imitiert und parodiert werden, wodurch ein Reflexionsprozess eingeleitet wird, der dann zu einer brauchbaren Konfliktlösung verhelfen kann.

Eine starke Dosis Humor birgt der Sarkasmus. Hier wird in einer lustigen Bemerkung auch noch eine Konsequenz angegeben. Ich hatte im ORF fünf Jahre lang eine eigene Sendung zu moderieren. Dabei half es mir häufig, sarkastische Interventionen und Diskussionen in geordnete Bahnen zu lenken. Wenn alle durcheinanderredeten, sagte ich oft: „Wenn wir alle gleichzeitig reden, sparen wir Zeit.“ Oder wenn ein Chef mit einem Appell an den Teamgeist seine Meinung durchsetzen will, hilft manchmal die Bemerkung: „Teamgeist ist, wenn alle das Gleiche wollen wie der Chef.“

Die stärkste humorvolle Intervention stellt aber der Zynismus dar. Er geht zurück auf den Diogenes von Sinope, der sich und seine Anhänger „Kyniker“ nannte, was eigentlich „Hunde“ heißt. Seine philosophische Grundannahme enthielt die Erkenntnis, dass eine Wahrheit meist ein Gegenteil hat, das ebenfalls wahr ist. Diogenes bemühte sich daher, einseitig dargestellte Wahrheiten durch eine zynische Intervention in ihr Gegenteil zu verkehren. In der philosophischen Tradition hat diese Erkenntnis dann zur Dialektik geführt.

Berühmt ist die – sogar von Hegel in seiner Geschichte der Philosophie (1830/31) zitierte – Begebenheit, bei der Diogenes durch die engen Gassen von Athen geht, bis sich ihm ein reicher Athener Bürger in den Weg stellt und sagt: „Ich weiche keinem Schurken aus.“ Diogenes entgegnet: „Ich schon“, und geht um ihn herum.

Eine Wahrheit mit einer zynischen Bemerkung ins Gegenteil zu verkehren gelingt natürlich nur, wenn es dieses Gegenteil gibt. Dies betrifft einen Teil der Konflikte – nämlich jenen Teil, bei dem die Wahrheit in sich widersprüchlich ist. Der andere Teil besteht darin, dass eine Seite recht hat und die andere unrecht. Dieser Unterschied ist ein fundamentaler und muss bei allen Konfliktinterventionen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass es zwei Arten von Konflikten zu unterscheiden gilt.

Zwei Arten von Konflikten

  1. Auf der einen Seite gibt es solche Konflikte, bei denen eine Seite recht hat und die andere Unrecht. Das einfachste Beispiel ist wohl, dass einer meint, zweimal zwei sei vier, während sein Konfliktgegner bzw. Partner meint, zweimal zwei sei fünf. Letzterer hat einfach falsch gerechnet. Sinn des Konfliktes ist, herauszufinden, wer recht hat. Dann muss sich derjenige, der sich verrechnet hat, demjenigen, der richtig gerechnet hat, unterordnen. Alle anderen Konfliktlösungen sind hier unbrauchbar – wie etwa ein Kompromiss: Einigen wir uns auf 2,5.

Für diese Art von Konflikten gibt es meist eine Expertise – in diesem Fall einen Mathematiker. Aber meist sind es Juristen oder andere Fachleute, die entscheiden können, wer recht hat.

  1. Auf der anderen Seite gibt es jene Konflikte, die auf Aporien, auf Paradoxien, auf Dilemmata etc. zurückgehen. Hier haben beide Seiten recht. Der Konflikt ist vermutlich dadurch entstanden, dass sich eine Seite der Konfliktparteien auf die eine Seite der Wahrheit exklusiv bezieht und die andere auf die andere Seite. Sie streiten deshalb vehement, weil beide der Meinung sind, im Recht zu sein – und das stimmt zumeist ja auch. Also etwa: „Ordnung erhält die Freiheit“ vs. „Ordnung zerstört die Freiheit“. Solche Konflikte galten lange Zeit als unlösbar.

Diese Annahme erwies sich aber als falsch, denn mithilfe der Kunst der Mediation wurden Methoden gefunden, um solche dialektischen Konflikte zu lösen.

Eines der wichtigsten Instrumente bei der Lösung von dialektischen Konflikten ist der Zynismus. Mit seiner Hilfe gelingt es, eine Wahrheit, die eine Seite vertritt, in ihr Gegenteil umschlagen zu lassen. Damit wird ein Lernprozess eingeleitet, der dann zu einer Lösung führen kann.

Viele Humoristen sind sogar in der Lage, die beiden widersprüchlichen Seiten einer solchen Aporie oder Paradoxie in einem Satz auszudrücken, wie etwa Johann Nepomuk Nestroy: „Ein Junggeselle ist ein Mann, dem zum Glück die Frau fehlt.“

In der Praxis kommt dieses Umschlagen ins Gegenteil relativ oft vor: etwa wenn man einen Vielredner darauf aufmerksam macht, dass je länger er redet, desto weniger ihm zuhören.

Ein unsympathischer Fahrgast setzt sich auf den Rücksitz eines Taxis und sagt zum Taxifahrer: „Fahren Sie endlich mit Ihrer Dreckskarre los.“ – „Gerne“, sagt der Taxifahrer, „wenn Sie mir auch noch sagen, wo ich den Dreck abladen soll.“

Das eigentliche Problem dieser Art von Konflikten, bei denen es zwei Wahrheiten gibt, liegt aber darin, dass sie oft in einen Teufelskreis führen. Wir haben in der Geschichte des Homo sapiens dafür viele Beispiele: Die steinzeitlichen Jäger wurden im Laufe der Zeit mit ihren Jagdmethoden immer erfolgreicher und töteten irgendwann mehr Tiere als nachwuchsen. Um die Krise, die sich bei der Nahrungsversorgung abzeichnete, zu vermeiden, verbesserten die Jäger ihre Waffentechnologie. Damit töteten sie aber noch mehr Tiere, weshalb sie abermals die Waffentechnologie verbesserten – so lange, bis dies nicht mehr möglich war. Dann erfand man die Viehzucht.

Das heißt, dass die Maßnahmen, die man zur Bewältigung der Krise – des Konflikts – ergreift, nur immer tiefer in die Krise führen – in den Konflikt.

Die zynische Intervention könnte damals gelautet haben: Ihr erfindet bessere Waffen, um schneller verhungern zu können.

Auch in unserem heutigen Alltag sind wir oft mit solchen Teufelskreisen konfrontiert: Etwa beim Fasten, das dazu führt, dass man hinterher noch mehr Kilos zulegt ( Jo-Jo-Effekt). Die zynische Intervention dazu: Warum betreibst du „Dickfasten“?

Zynische Interventionen folgen der Absicht, die Konfliktparteien auf den Teufelskreis, in dem sie sich befinden, aufmerksam zu machen. Der Schock über die zynische Aussage bringt die verdrängte zweite Seite der Wahrheit ins Blickfeld. Diese kann man dann mit einbeziehen und durch einen Lernprozess zu einer Lösung kommen.

Wie man lernt, humorvoll zu intervenieren

In dem Maße, in dem hierarchische Systeme immer weniger funktionsfähig werden – stark gefördert durch die digitale Revolution –, entwickelt sich Führung durch Entscheiden und Anordnen zum Führen durch Intervenieren und Steuern von Lernprozessen. Wenn diese Interventionen humorvoll sind, können sie leichter akzeptiert werden.

Allerdings ist Humor – so wie die meisten anderen Führungsinstrumente – auch eine Art Handwerk. Man muss es beherrschen und daher erlernen. Wie aber lernt man, humorvoll zu intervenieren?

Die erste wichtige Maßnahme für Führungskräfte besteht darin, Humor zuzulassen und zu fördern. Eine witzige Bemerkung – auch wenn sie Kritik enthält – müsste belohnt und nicht bestraft werden.

In der ersten Stufe könnten Chefs einfach mitlachen, dann im Weiteren kreative, lustige Bemerkungen von Mitarbeitern über den Chef, über das Unternehmen, über das Produkt etc. positiv bewerten. Man kann lustige Abende organisieren und dabei staunen, wie viel Kreativität die einzelnen Kollegen besitzen, wenn sie sich frei fühlen und keine Sanktionen zu erwarten haben.

Sehr vorsichtig sollte man mit dem Erzählen von Witzen sein. Fast alle Witze haben die Tendenz, eine bestimmte Position ins Visier zu nehmen. Um dieser Einseitigkeit zu entgehen, habe ich mir angewöhnt, immer zwei Witze zu erzählen: zum Beispiel einen Arbeitgeberwitz und einen Arbeitnehmerwitz, einen Ärzte- und einen Patientenwitz, einen Juristen- und einen Klientenwitz oder auch einen Witz aus weiblicher Sicht und einen aus männlicher Sicht.

Dazu ein Beispiel: Sie schläft das erste Mal bei ihm. Nach einiger Zeit fragt sie: „Mich würde interessieren, wie viele Frauen hier schon geschlafen haben.“ Nachdem er eine Weile still ist, sagt sie: „Ich höre!“ Und er antwortet: „Und ich zähle.“

Er schläft das erste Mal bei ihr, nach einiger Zeit fragt er: „Mich würde interessieren, wie viele Männer hier schon geschlafen haben.“ Sie antwortet: „Solltest du tatsächlich einschlafen, wärst du der Erste.“

Wenn wir uns die Lachgewohnheiten verschiedener Altersgruppen ansehen, dann stellen wir fest, dass Kinder sehr viel lachen. Aber je erwachsener wir werden, desto mehr gewöhnen wir uns das Lachen ab. Dies ist im normalen Arbeitsbetrieb sicher zweckmäßig, es ist aber genauso sinnvoll, den kindlichen Urzustand teilweise wiederherzustellen – in sozusagen kontrollierter Form. Das wäre die Kunst des Führens mit Humor.

Ich habe mir für meine Arbeit im Konfliktmanagement bzw. bei Mediationen eine Reihe von Bemerkungen zugelegt, die in verschiedenen Situationen das Klima auflockern.

Sehr geeignet sind dafür oft Schüttelreime: Nicht alles auf die Waage legen – der komplizierten Lage wegen.

Oder wenn jemand einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Aspekten nicht einsehen will, dann erzähle ich die Geschichte von Graf Bobby:

Graf Bobby trifft seinen Kollegen, Graf Rudi, in der Kärntner Straße. Bobby hat einen Spazierstock, der ihm viel zu lang ist. Rudi sagt: „Du hast einen viel zu langen Spazierstock!“ Bobby erwidert: „Ja, ich habe ohnehin überlegt, ihn abzuschneiden, aber es ist schade um den schönen Griff.“ Darauf meint Rudi nun: „Dann schneid ihn doch unten ab!“ Bobby pariert: „Unten ist er mir ja nicht zu lang!“

Meines Erachtens ist Humor das wichtigste Mittel – manchmal sogar das einzige –, um für Führung überhaupt Akzeptanz zu erreichen. Durch das gemeinsame Lachen wird der Unterschied zwischen Über- und Untergeordneten wenigstens kurzfristig aufgehoben. Dieses Lachen konstituiert die berühmte Augenhöhe und führt damit zu Akzeptanz.

Literatur

Schwarz, Gerhard (2015): Führen mit Humor. Wiesbaden: Springer Gabler.

Schwarz, Gerhard (2019a): Die „Heilige Ordnung“ der Männer: Hierarchie, Gruppendynamik und die neue Rolle der Frauen. Wiesbaden: Springer VS.

Schwarz, Gerhard (2019b): Konfliktmanagement – Konflikte erkennen, analysieren, lösen. Wiesbaden: Springer Gabler.

Schwarz, Gerhard (2019): Shitstorms, Lügen, Sex. Steinzeitrituale in Gruppen und Hierarchien. Wiesbaden: Springer Multimedia.

 

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